Das historische
Shanghai-Observatorium
Nur wenige Kilometer westlich des Stadtzentrums von Shanghai bietet sich ein erstaunliches
Bild. Auf einem flachen Höhenrücken, dem
Shéshān, stehen eine große christliche Kirche - schon ungewöhnlich genug
- und daneben Sternwartenkuppeln!
Die Kirche wurde zwischen 1925-1935 erbaut und ist aus einer um
1850 gegründeten Jesuitenmission aus Kolonialzeiten hervorgegangen. Die
Sternwarte enstand um 1872 und ist von Frankreich im Rahmen des
Carte
du Ciel-Atlas
um 1893 mit einem sog. 'Normal-Astrographen'
(einem f17-Doppelrefraktor) ausgerüstet worden, mit dem in
mehreren baugleichen Exemplaren
rund um die Welt die Platten für die große Himmelsdurchmusterung
aufgenommen wurden. In den unterschiedlichen Listen der
teilnehmenden Sternwarten taucht Shanghai allerdings nicht auf
und überwiegend wurden Aufnahmen von offenen Sternhaufen für 'proper
motion'-Studien durchgeführt.
Angesichts der miserablen Beobachtungsbedingungen - feuchtes
Küstenklima mit Nebel, im Sommer
Monsunregen, im Winter fast permanente Wolkendecke - kann der Standort
wohl nur durch seine Nähe zur französischen Niederlassung in
Shanghai erklärt werden.
Ich bekam Ende der Achtiger Jahre durch Prof. Yao von der Sternwarte
Shanghai, den ich durch seinen Forschungsbesuch bei
der ESO in Garching kennengelernt hatte, die Möglichkeit, die
Sternwarte zu besuchen.
Wie alle Kirchen in China war nach Gründung der Volksrepublik und
Vertreibung der Jesuiten das Kirchengebäude 'umgenutzt' worden - als
Getreidespeicher und Lager- gebäude. Heute ist die Kirche restauriert
und besonders zu Ostern kommen Bauern aus weiter Entfernung zum
Gottesdienst.
Auch
die Sternwarte wurde kaum weiter genutzt; die Optik war für heutige
Begriffe zu langsam und die 24x30cm-Platten mußten teuer bei Kodak in
den USA gekauft werden.
Heute steht der
große Doppelrefraktor eingemottet in seiner Kuppel. Die
englische Rahmenmontierung, typisch für südlichere Breiten, soll noch
einsatzfähig sein. Auch das
Plattenarchiv mit ca. 1000 Platten unter der Kuppel existiert immer noch. Allerdings habe ich nie über eine
moderne Nutzung durch Digitalisierung der Plattenbestände gehört.
Ein Bericht meines Besuches erschien auch in der Zeitschrift 'Sterne und Weltraum'.
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